Donnerstag, 23. November 2017, 19.30 UhrLhnig Martin
Kräncher-Saal, Salzstadel, Weiße-Lamm-Gasse 1, Regensburg

Prof. Dr. Martin Löhnig (Regensburg)

Am 30. Juni 2017 hat der Bundestag das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, die sog. „Ehe für alle“, beschlossen. Diskriminierung ist, worüber Einigkeit besteht, eine schlimme Sache und so wurde die Reform von vielen als Endpunkt Jahrzehnte langer Bemühungen um die vollständige rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare teils enthusiastisch begrüßt. Andererseits ist der Begriff der Diskriminierung nicht klar definiert und im Zusammenhang mit dieser Feststellung lässt das Gesetz auch einige nicht ganz unbedeutende Fragen offen (Stichworte: Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz bzw. dem dortigen tradierten Begriff der Ehe, Fragen des Kindeswohls, des Namens- und Adoptionsrechts, der Leihmutterschaft, künstlichen Befruchtung u. a. m.). Auch könnte sich die Reform in der Rückschau als Anfangspunkt eines neuen Reformdiskurses erweisen. Ist es nämlich auszuschließen, dass etwa Muslime bald auch das Recht auf Polygamie einfordern? Umfasst das Wort „alle“ auch Jugendliche oder gar Kinder – wie steht es konkret mit der Anerkennung von Kinderehen?


Martin Löhnig (Jg.1971) studierte Rechtswissenschaften an der Universität Regensburg, anschließend Promotion und wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Europäische Rechtsgeschichte und Kirchenrecht von Hans-Jürgen Becker. Die Habilitationsschrift „Treuhand“ wurde mit dem Regensburger Habilitationspreis ausgezeichnet, danach gewann Dr. Löhnig 2006 den "Preis für gute Lehre an Bayerns Universitäten"; es folgte ein Ruf der Universität Konstanz; 2008 W3-Professur für Bürgerliches Recht, Deutsche und Europäische Rechtsgeschichte an der Universität Regensburg. 2009/2010 hatte M. Löhnig eine Gastprofessur für Wirtschaftsrechtsgeschichte an der Universität St. Gallen inne, 2014/2016 war er Gastprofessor an der Università degli Studi dell'Insubria (Como), und 2015 Gastprofessor an der Masaryk Universität in Brno.

Rückblick

Prof. Dr. S. Bonk, der Direktor des Akademischen Forums, begrüßte als Referenten den Regensburger Rechtsprofessor Dr. Martin Löhnig (Jg. 71) und etwa 30 Interessierte. Das Thema der Veranstaltung war ein schwieriges und deshalb auch kontrovers diskutiertes Thema:
Die rechtliche Gleichstellung homosexueller Paare
Homosexuelle Paare hatten seit August 2001 die Möglichkeit zu einer eingetragenen Lebensgemeinschaft. Am 30. Juni 2017 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechtes.
Gesetzgebung „Hals über Kopf“
Die vorausgehende Bundestagsdebatte dauerte nur 38 Minuten und es war zudem die letzte Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause. Bei dieser Abstimmung gab es keinen Fraktionszwang. Die Bundeskanzlerin appellierte an das Gewissen der Abgeordneten, von denen dann schließlich 226 dagegen und 393 für stimmten.
Infolge dieses Abstimmungsergebnisses erhielten homosexuelle Paare das Recht, eine „Ehe“ zu schließen und damit die vollständige rechtliche Gleichstellung zur Ehe von Frau und Mann.
Auch aufgrund dieser „Hals über Kopf“- Gesetzgebung“ blieben erwartungsgemäß Fragen offen und es entstanden Folgeprobleme:
Ist das Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar?
Nach Art. 6 des Grundgesetzes steht die Ehe von Mann und Frau unter einem besonderen Rechtsschutz. Der nun neu eingeführte § 1353 BGB weitet diesen Rechtsschutz auch auf gleichgeschlechtliche Paare aus. Dabei ist abschließend noch gar nicht geklärt, ob dies grundgesetzkonform ist. Letztlich wird erst noch das Bundesverfassungsgericht über diese Frage entscheiden und gegebenenfalls das Grundgesetz ändern müssen. Die Bayerische Landesregierung etwa lässt bereits prüfen, ob die Gleichstellung grundgesetzkonform ist.
Viele Gesetze anpassen
Die deutschen Gesetzbücher gehen grundsätzlich von einer Ehe zwischen Mann und Frau aus. Durch die Gleichstellung homosexueller Paare liegen nun aber neue Gegebenheiten vor. Deswegen müssen viele Gesetze wie etwa dasSteuer-, Abstammungs-, Erbrecht oder das Familienrecht erst noch sprachlich und inhaltlich modifiziert werden.
Nachkommen und Adoptivkinder?
Beim Kinderwunsch gleichgeschlechtlicher Paare müsste eine künstlich Befruchtung (assistierte Fortpflanzung) erfolgen. Hier ergeben sich große rechtliche Probleme, da sowohl Eizellenspende als auch Leihmutterschaft in Deutschland verboten sind.
Einer Eingetragenen Partnerschaft war es bereits möglich, über rechtliche Umwege (Sukzessivadoption) Kinder zu adoptieren, mit der Gleichstellung können homosexuelle Paare jetzt aber im Zuge eines gängigen Adoptionsverfahrens Kinder adoptieren. Die Frage nach dem Wohl der Kinder grundsätzlich wie auch im Einzelfall neu entschieden werden.
Folgen für die Institution „Ehe“
Die „Ehe für alle“ kann im Laufe der Zeit dazu führen, dass sich die Institution „Ehe“ von Mann und Frau als Keimzelle und Basis der Gesellschaft beginnt, sich aufzulösen. In Zukunft könnte sogar etwa auch der Ruf nach einer „Ehe“ aus fünf oder acht Personen laut werden.
Der neue § 1353 BGB beendet die Problematik noch lange nicht, er könnte zum Ausgangspunkt eines neuen Reformdiskurses werden.

Dr. Johann Schwinghammer

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